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Das Integrierte Rheinprogramm (IRP)
Retention als Kompensation der HochwasserverschärfungDurch die verschiedenen Maßnahmen der Begradigung und Kanalisierung sind am südlichen Oberrhein seit dem 19. Jahrhundert über 90 Prozent der ehemals vorhandenen Auen und Überflutungsräume beseitigt worden. Im begradigten Flussbett bewegt sich die Hochwasserwelle jetzt fast doppelt so schnell auf Straßburg und Karlsruhe zu. Und noch fataler: Durch die Laufzeitbeschleunigung der Hochwasserwelle im Oberrhein ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Hochwasserwellen von Rhein und Neckar bei Mannheim/Ludwigshafen zeitgleich zusammenstoßen, deutlich angestiegen. Ein Hochwasserdesaster für die beiden Städte, einschließlich der BASF und dem wenig stromabwärts gelegenen Worms ist vorprogrammiert. Um die Hochwassersicherheit von Straßburg bis Mainz/Wiesbaden wieder annähernd herzustellen, ist Baden-Württemberg verpflichtet, anstelle der beseitigten Rheinauen ersatzweise neuen Rückhalteraum zu schaffen. Während sich früher die Hochwasserwelle in den ausgedehnten Rheinauen totlaufen konnte, soll der Spitzenabfluss jetzt gezielt in ein Dutzend Polder zwischen Breisach und Karlsruhe geleitet werden. Im Rahmen des "Integrierten Rheinprogramms" (IRP) versucht Baden-Württemberg in diesen Poldern die Hochwasservorsorge und den Naturschutz auf einen Nenner zu bringen. In den Poldern soll bereits bei kleineren Hochwässern durch sogenannte "ökologische Flutungen" die Vegetation wieder an wechselfeuchte Bedingungen angepasst werden. Mit den ökologischen Flutungen wird angestrebt, wieder eine auenähnliche Vegetation heranzuziehen, die bei Extremhochwässern im Retentionsfall auch längere Überflutungen weitgehend schadlos übersteht (GEWÄSSERDIREKTION SÜDLICHER OBERRHEIN/HOCHRHEIN 2001). Die Tieferlegung des südbadischen RheinvorlandesEin ganz besonderer Rückhalteraum soll zwischen Basel und Breisach entstehen. Für die Hochwasserretention entlang der 43 Kilometer langen Fließstrecke des Restrheins sollen nicht die üblichen Polder - wie nördlich von Breisach - errichtet werden. Auch ein ehemals in Erwägung gezogenes Rheinhochwasserwehr steht offiziell nicht mehr zur Debatte. Der neue Ansatz: Das Bett des Restrheins soll durch eine Tieferlegung des südbadischen Rheinvorlandes so ausgeweitet werden, dass der Hochwasserabfluss im Restrhein stark abgebremst wird. Die anderenorts vorgenommene Rückverlegung von Dämmen ist am Restrhein für eine Hochwasserretention nicht zielführend. Denn auf Grund der früheren Rheinbegradigungen hat sich der Rhein seit dem 19. Jahrhundert streckenweise um über 10 Meter in seinen kiesigen Untergrund gefressen . Durch die geplante Tieferlegung des Rheinvorlandes könnte sich der Rhein im Hochwasserfall bis zu 700 m landeinwärts wieder ausdehnen. Auf den "Abtragsflächen" soll möglichst schnell eine auentypische Vegetation aus Weiden und Pappeln aufwachsen. Und genau auf diese neu entstehende Auenvegetation kommt es an: Der dichte Bestand von Weiden und Pappeln soll die Hochwasserfluten so stark verlangsamen, dass es rechnerisch zu einem Hochwasserrückhalt von 25 Millionen Kubikmetern (Äquivalent) kommt. Damit wird der Ablauf der Hochwasserwelle aus Basel im wesentlichen zeitlich verzögert. 50 Millionen Tonnen Kies für einen neuen AuewaldDie Dimensionen des Hochwasserrückhalteprojektes werden an der Kiestonnage deutlich, die für die Realisierung dieses ehrgeizigen Projektes bewegt werden müs-sen. Um im Hochwasserfall das angestrebte Rückhaltevolumen von 25 Millionen Kubikmetern zu erreichen, müssen insgesamt 50 Millionen Tonnen Kies abgebaggert werden. Damit dürfte vom Volumen der notwendigen Erdbewegungsarbeiten her der Rückhalteraum am Restrhein die größte Retentionsmaßnahme zumindest in Europa sein. Würde die dabei anfallende Kiesmenge in kurzer Zeit auf den Markt geworfen, wären ein drastischer Preisverfall sowie Absatzschwierigkeiten die unerwünschte Folge. Der Abbau von 50 Millionen Tonnen Kies soll deshalb auf jährliche Raten von 3,4 Millionen Tonnen aufgeteilt werden. Zum Vergleich: Derzeit werden in den bestehenden Baggerseen in Südbaden jährlich 4,7 Millionen Tonnen Kies gewonnen. Ein Teil dieser Menge kann während der Bauphase durch den Kies aus dem Rheinvorland substituiert werden. Die Planer erwarten, dass Teilchargen des Kieses von weiter im Norden ansässigen Kiesfirmen abgenommen werden, um das dortige sandreichere Material zu ergänzen. Inzwischen wird auch diskutiert den Kies mehr oder minder ausschließlich für die notwendige Geschiebezugabe in Iffezheim zu verwenden und dafür den Kies über die Rheininsel per Förderbänder und von da per Schiff nach Iffezheim zu transportieren und dort in alten Kiesgruben zwischenzu-lagern. Diese Lösung hätte für die anliegenden Gemeinden hinsichtlich des mit dem Kiesabbau einhergehenden Baustellen und Transportverkehrs den Vorteil einer erheblichen Entlastung. Neben dem Kies müssen auch rund eine Million Kubikmeter humoser Mischboden und rund zwei Millionen Kubikmeter Mischboden abgetragen werden. Insgesamt werden ca. 420 ha Gelände nach vorheriger Rodung tiefergelegt. Die Phase der Tieferlegung soll insgesamt voraussichtlich 15 Jahre dauern. Die Belastung der betroffenen Orte durch die entsprechend notwendigen Baustellen wird sich dagegen im wesentlichen auf bestimmte Jahre beschränken. Die Planer gehen davon aus, dass das vollständige Rückhaltevolumen nach Abschluss der Bauphase sowie einer anschließenden Vegetationsentwicklung von weiteren zehn Jahren bereitstehen wird (GEWÄSSERDIREKTION SÜDLICHER OBERRHEIN/HOCHRHEIN (o.J.)). Der Rückhalteraum wird durch Geländeabtrag bis im Durchschnitt 50 cm über den anstehenden mittleren niederen Grundwasserstand abgetieft. Dabei soll die Sohle nicht planeben, sondern im Dezimeterbereich schwankend modelliert werden. Die Unregelmäßigkeit soll durch die Anlage flacher Rinnen ("Schluten") sowie von Wällen in Fließrichtung erreicht werden. Durch das unregelmäßige Relief finden angeflogene oder angeschwemmte Samen bei unterschiedlichen Wasserständen stets geeignete Keimbedingungen. Die nach der Tieferlegung anstehenden offenen Kiesflächen sind zunächst empfindlich gegen Erosion bei Hochwasser. Bis zu einer Besiedelung durch Pflanzen müssen die Kiesflächen in den jeweiligen Abbauabschnitten vorübergehend vor einem direkten Strömungsangriff geschützt werden. Hierzu bleibt der Leinpfad entlang des Restrheins - insbesondere an Fließstrecken mit starkem Strömungsangriff - zunächst in der bestehenden Form als Damm erhalten. Erst nach dem Aufkommen einer strömungsresistenten Vegetation soll der Leinpfad völlig geöffnet werden, um eine Überströmung der dann vegetationsbestandenen Abtragsflächen zu ermöglichen. Das Gesamtareal der Tieferlegungsflächen wird nur bei großen Hochwasserabflüs-sen überflutet. Demgegenüber sollen die neu angelegten Schluten innerhalb der Tieferlegungsflächen öfters geflutet werden. Wasser wird immer dann in die Schluten einfließen, wenn im Restrhein ein Abfluss von 100 Kubikmeter pro Sekunde überschritten wird. Im langjährigen Mittel kann damit gerechnet werden, dass die Schluten an 65 Tagen im Jahr durchflossen werden. Bei weiter ansteigenden Abflüssen fließt das Wasser breitflächig in die tiefergelegten Flächen. Diese Prognosen könnten sich nochmals ändern, wenn sich der staatliche französische Stromkonzern EdF bereit erklären sollte, den Restrhein mit mehr Wasser zu dotieren. Für die südlichste Staustufe im Rheinseitenkanal und das dortige EdF-Laufwasserkraftwerk Kembs steht im Jahr 2007 eine Neukonzessionierung an. Die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) hatte bereits vor Jahren vorgeschlagen, die Mindestwasserführung im Restrhein von 20-30 Kubikmetern pro Sekunde auf 150 Kubikmeter zu erhöhen. Es ist zu hoffen, dass bei Diskussion über die Restwassermenge im Restrhein, die mögliche Furkationsaue am Restrhein stärker als bisher Berücksichtigung finden wird, um sich nicht schon heute Chancen für zukünftige Generationen zu verbauen. Ausgelegt wird der "Rückhalteraum südlich Breisach" auf ein zweihundertjährliches Hochwasserereignis. Der neu geschaffene Auewald muss dann einen Hochwasserabfluss von 4.500 Kubikmetern (Auslegungsfall) pro Sekunde abbremsen. Vom "90 Meter-Streifen" zum vielgestaltigen RückhalteraumDie ersten Planungen für die Tieferlegung waren davon ausgegangen, entlang fast des gesamten Restrheins einen neunzig Meter breiten Streifen abzubaggern. Die Dimensionierung auf 90 Meter rührt daher, dass sich ein 90 Meter breiter Bereich auf dem südbadischen Ufer des Restrheins im Besitz des Bundes bzw. des Landes befinden. Konflikte beim Grunderwerb (beispielsweise gegenüber privaten Besitzern oder gegenüber Gemeinden) konnte man somit ausschließen. Der ehemals geplante, durchgängige "90 Meter-Streifen" wurde mittlerweile aber in 18 Teilflächen aufgegliedert. Maßgeblich waren für diese Planänderung, neben nur schwer zu verlegenden Nutzungen, insbesondere Naturschutzbelange. Denn dort wo früher eine Auewald stockte, haben sich durch die Tiefenerosion des Rheins mittlerweile naturschutzwürdige Trockenbiotope etabliert. Diese Trockenareale mit einer mediterranen Tier- und Pflanzenwelt werden jetzt von der Tieferlegung ausgespart. Allerdings können nicht sämtliche Trockenareale erhalten bleiben. Der daraus resultierenden Verlust von Magerrasen, wie er gegenwärtig auf den trockenen und offenen Standorten entlang des Leinpfades vorgefunden wird, soll kompensiert werden. Als Ausgleich ist vorgesehen, geeignete Böschungen entlang der tiefergelegten Flächen anzulegen. Die Böschungen werden als Rohkiesflächen konzipiert. Das bedeutet, dass die neuen Böschungen entlang den Abtragsflächen nicht rekultiviert werden. Als trockene und nährstoffarme Flächen bilden die Böschungen Ersatzstandorte für entsprechende Arten der Trocken- und Magerrasen. Allerdings müssen einige kritische Stellen im Böschungsverlauf mit Steinwurf vor Erosion gesichert werden. Die Rohkiesflächen als neu geschaffene Trockenbiotope sollen durch eine entsprechende Pflegekonzeption dauerhaft offengehalten werden. Um trotz der Aussparung der wertvollsten Trockenbiotope das angestrebte Rückhaltevolumen von 25 Mio. Kubikmetern zu erreichen, wurde die ursprüngliche Fixierung auf 90 Meter aufgehoben: Es ist beabsichtigt einige der 18 Teilflächen bis auf 300 oder gar 700 Meter landeinwärts auszuweiten. Damit werden die Retentionsverluste infolge der Umfahrung der naturschutzwürdigen Trockenstandorte kompensiert. Die Abweichung von der einheitlichen "90 Meter-Streifen-Planung" dürfte allerdings den Grunderwerb komplizierter machen. Denn von den benötigten Flächen sind nur etwa 66 Prozent im Eigentum des Bundes und des Landes, etwa 31 Prozent sind Gemeindeeigentum und etwa drei Prozent befinden sich in privatem Besitz. Die benötigten Flächen sind zu 94 Prozent forstwirtschaftlich und zu sechs Prozent landwirtschaftlich genutzt. Hartheim, die am stärksten betroffene Anliegergemeinde, hat bereits angedroht, bis vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen diese Tieferlegungen zu prozessieren. Fertigteilen gepant. ![]() Schnitt (für größere Darstellung auf Abbildung klicken) Nähere Angaben siehe Rheinnetz. Weitere Informationen (Presseartikel, Nachrichten, Termine) Diskutieren Sie mit uns, teilen Sie uns hier Ihre Meinung mit. |
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